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Auf den Hund gekommen
Jeder Klasse ihre Rasse
Früher, als man sich Tiere noch aus den Gründen anschaffte, aus denen Gott sie schuf – also um sie zu fritieren, sie dem Nachbar auf den Hals zu hetzen oder sie als Übungsobjekt für die anstehende Hochzeitsnacht zu benutzen –, hatte die Rassenfrage keine Relevanz. Es war einem egal, ob die Schwiegermutter im Kartoffelkeller unter einer fauchenden Straßenkatze oder einer reinblütigen Burmesin lag; Hauptsache, sie war für den Moment mal außer Gefecht gesetzt.
Auch kümmerte es herzlich wenig, ob der Köter, den man gerade versehentlich beim Einparken erwischt hatte, Personalien bei sich trug, die ihn als reinrassigen Coton de Tulèar auswiesen. Allenfalls ein paar kauzige Vertreter des Adels erlaubten sich die Dekadenz, ihre Betten nur von edlen Kammerhunden anwärmen zu lassen oder auf Gemälden mit fetten Siamkatzen zu posieren, die sie wahlweise gehäutet um den Hals gewickelt trugen oder aber lebendig auf ihrem Schoß drapierten. Heute, in einer Zeit, in der richtige Statussymbole wie Autos oder überdimensionale Geschlechtsmerkmale unbezahlbar sind, greift man auf diese Schrullen freilich gern zurück.
Denn das richtige Rassetier ist nicht nur Exempel eines ausschweifenden Lebensstils, sondern es öffnet einem auch noch die Tür zu einer Welt mit ganz eigener Logik, in der noch der letzte Verlierer die Möglichkeit hat einmal zu glänzen.Erfahrungsgemäß bevorzugen Frauen Katzen, weil diese ihre devote Haltung gekonnt hinter einer Fassade der Eigensinnigkeit zu verstecken wissen. Männer hingegen halten es da lieber mit Hunden, deren eklatanten Mangel an Persönlichkeit man dadurch kompensieren kann, daß man ihnen eine Reihe sinnloser Kunststücke beibringt wie etwa sich auf Kommando an den Genitalien zu lecken oder sich in ein Kind aus der Nachbarschaft zu verbeißen. Die Reproduktion der Geschlechterrollen im Bereich der Tierzucht ist vergleichsweise harmlos, hingegen artet die Kundenorientiertheit der Rassezucht doch manchmal in Komik aus.
Für Neurodermitiker, deren Haut sich bei Kontakt mit Hunden erfahrungsgemäß von den Knochen schält, erfand man den Basenji, der im eigentlichen Sinne kein Hund, sondern eine Katze ist, weswegen er auch nicht bellt sondern jodelt. Faulen Katzenliebhabern, denen das Bürsten ihres Tieres zuviel Arbeit ist, bietet man eine Nacktkatze, deren Lebensunfähigkeit höchstens noch von ihrer Häßlichkeit übertroffen wird. Und für Leute, die eigentlich eine Amphibie halten wollen, aber vom Vermieter nicht die Genehmigung bekamen, erschuf man die Gesichtsruinen der Perserkatzen.
Die Rassestandards der Züchtergilden lesen sich wie Werkzeuginstruktionen aus dem Baumarkt, und in puncto höhere Mathematik kann man einem Züchter, der die Proportion des Widerrists zum Rumpf und vom Buggelenk zum Sitzbeinhöcker ausrechnet, nur wenig vormachen.
Die vom Zuchtverein vorgeschriebenen Rassestandards beschränken sich jedoch nicht auf die Tiere. Auch der Mensch, der sich ein genetisch optimiertes Inzesthündchen anschaffen will, muß gewisse Standards erfüllen, die vom Züchter gegebenenfalls mit der angemessenen militärischen Härte eingefordert werden.
So entnehmen wir dem Infoblättchen des Beagle Club Deutschlands, daß eine Frau, die sich einen Beagle hält, gefälligst eine Hausfrau im heiligen Stand der Ehe zu sein habe. Die ideale Besetzung für einen Jagdhund ist eben der beim Ertönen des Halali stramm im Bett aufsitzende Gatte und die lächelnd das Hirschmotiv über dem Kamin abstaubende Gemahlin.
Nun sind es aber die trauten Zwiegespräche in der U-Bahn, die dem Selektionswahn gewisser Hobbygötter nachhaltig Sinn verleihen. Hat die neue Bekanntschaft auf dem Sitz gegenüber nämlich erst mal erwähnt, daß sie eine verlauste dreibeinige Hauskatze aus dem Tierheim beherbergt, kann man als Besitzerin eines reinblütigen Neunhundert-Euro-Tieres immer betont pikiert die rechte Augenbraue heben, die Stimme leicht durch die aufeinandergepreßten Zähne zischen lassen und erwidern: »Ach ja? Ich habe ja eine Japanese Bobtail Langhaar Tortie!« – womit dann die Standesunterschiede gekonnt ins Gespräch eingeflossen wären, ohne daß man aufdringlicherweise mit Kontoauszügen herumwedeln oder Immobilienaktien vorzeigen mußte. Der kriegerische Graben zwischen Tierheimbefürwortern und Zuchttierliebhabern könnte ohnehin größer nicht sein. Auf der einen Seite sind da die ewig jammernden selbsternannten Samariter, deren Ehrgefühl proportional zu den Behinderungen des gepeinigten Tierheiminsassen wächst, und auf der anderen Seite haben wir da die Snobs, die kein Tier kaufen, das in seinem Stammbaum nicht mindestens drei Gewinner internationaler Wettbewerbe nachweisen kann.
Zur ersten Gruppe darf man nicht nur die ledigen Damen zählen, die in Ermangelung einer sinnvollen Beschäftigung oder eines vorzeigbaren Äußeren jeden Sonntag wie gebannt die Sendung »Tiere suchen ein Zuhause« verfolgen, sondern auch jene Verbrecher an deutscher Geschichte, die sich nicht scheuten, im Zusammenhang mit der Kampfhunddiskussion den Davidstern auf ihre beißwütigen Tölen zu heften.
Zur zweiten Gruppe darf man jene zählen, die lieber an den Genen eines Tieres herumpfuschen, als sich einen neuen Teppich zu kaufen, der farblich besser zu ihm paßt. Beiden ist gemein, daß sie die Stasi blaß aussehen lassen, wenn es um die Prüfung der Würdigkeit eines Käufers geht. Wer einmal versucht hat, ein Tierheimkrüppelchen oder den Ableger eines preisgekrönten Zuchttieres zu erwerben, wird wissen, daß die Auflagen der deutschen Justizvollzugsanstalt ein Dreck dagegen sind, denn mit Hinterlegen des Personalausweises und der Sozialversicherungsnummer, wöchentlichen Kontrollanrufen und höchsten Vertragsstrafen bei Nichteinhalten der Auflagen ist es nicht getan. Im Grunde tauscht man in Deutschland seine Seele gegen ein registriertes Tier ein.
Falls Sie Ihre behalten wollen: Versuchen Sie es doch mal mit einem Zweibeiner.
Giannina Wedde
nicht alles für bare Münze nehmen!!!!!
lg sandra
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