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Von manchen erschreckt, von mir irgendwann nur noch amüsiert zur Kenntnis genommen: Pats ganz spezielle Art, nach dem Aufwärmen zu zeigen, dass er jetzt auf Betriebstemperatur ist und wir mit der richtigen Arbeit beginnen könnten: Dreifacher Salto mit eingesprungener Schraube. Naja, so ähnlich fühlte es sich jedenfalls von oben an. Hat er aber nur so lange gemacht, wie ich da oben nicht in ernsthafte Nöte geriet. Jenseits dieses Punktes hat er sofort aufgehört, stand wie eine Kuh und wartete ab, bis ich mich wieder zurechtgeruckelt hatte.
Traumhaft seine Trittsicherheit! In vollem Galopp über schlammige Wege fegen, eine Seite in der Trekkerspur, eine daneben, 15 bis 20 cm höher, war seine leichteste Übung. Hat man von oben gar nicht gemerkt, dass der Boden irgendwie schwierig sein könnte. (Nur im Schritt wurde gerne gestolpert, notfalls über Strohhalme.) In 20 Jahren, die ich mit ihm zubrachte, bin ich NIE von ihm oder mit ihm geflogen. Auch der Gatte der auf ihm erst reiten gelernt hat, ist nie runtergefallen, nur einmal MIT ihm im Schritt gefallen. Da konnte der Dicke aber wirklich nix machen, da er auf eine dick verschneite Eisplatte geriet.
Und dieser grundehrliche Charakter!
Leute, die es konnten, forderte er heraus, denen verlangte er ordentlich was ab. Die Maxime war klar: Du willst, dass ich saubere Lektionen gehe? Hey, dann schaff gefälligst was da oben! (Wir kamen zusammen - fernab aller Turnierambitionen - wohl auf ein halbwegs annehmbares L-Trensen-Niveau, und wenn es uns packte, probierten wir, bis wir als solche erkennbare Trab- und Galopptraversalen und Dreierwechsel hinbekamen, zu mehr hat es bei mir nicht gereicht).
Leuten, die unsicher waren, nicht reiten konnten, denen half er, wo es nur ging. Da war er Lämmchen, egal, ob es sich um meinen werten Gatten in seinen ersten Longenstunden oder um den zweijährigen Junior handelte, den ich auf diesem Riesentier spazieren führte. Da zuckte nie auch nur ein Ohr unziemlich. Mit rohen Eiern auf dem Rücken hätte er sich vermutlich sofort gewälzt. Aber Anfänger wurden getragen und behütet wie wertvollste Preziosen. (Waren sie ja auch.)
Und Leute, die ihm was vormachen wollten? DIE hat er gnadenlos auflaufen lassen. Da war diese junge Frau, die sich als Reitbeteiligung an meinem damals tatsächlich noch reichlich knackigen Wallach beworben hat. Von der sorgfältig ondulierten Frisur, aus der nicht ein Haar vorwitzig abstand, über die nagelneuen Lederstiefel bis hin zum schnieken Auto schrie alles an ihr "aufstrebende Beinahe-Jungmanagerin". Ich kam mir zunächst in meinen Stallsachen ein wenig seltsam vor. Natürlich hat sie sich in den Dicken "schon ganz verliebt", nachdem sie nur einen Blick auf ihn geworfen hatte. Gut, also hab ich ihn in die Halle gebracht und die junge Dame, die natürlich mit dem schnieken A4 vorgefahren war, schwang sich nicht ganz ohne Mühe drauf.
Ich sagte es schon? Wenn ihm jemand was vormachen wollte, hat der Dicke das binnen Sekunden gerochen und dementsprechend gehandelt. Und so kam es, wie es kommen musste - er zog im starken Trab seine Runden in der Halle und die junge Dame hatte dem absolut nullkommagarkeine durchkommenden Hilfen entgegenzusetzen. Bevor sie ernsthaft ins Rutschen kam, hat er die Gute bis zu mir getragen und dort gehalten, um sie, die inzwischen ein bisschen zerrupfter als vorher aussah, absteigen zu lassen.
Ich könnte heute noch, über 20 Jahre später, schwören, er hat mich dabei angegrinst.
Und genau DAS ist das Bild, das mir aus und nach all den Jahren am klarsten vor Augen steht. Dieses ganz spezielle, schelmische Grinsen - nicht nur - an jenem Tag.
Und ich vermisse es immer noch. Immer wieder.
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