Manchmal bekommt man hier beim Lesen das Gefühl, die Leute sind schon mit dem RR-Feeling auf die Welt gekommen. Der Hund bzw. die Rasse wurde nicht deshalb ausgewählt, weil man ihn optisch so beeindruckend fand. Nein, natürlich nicht...
Die Rasse wurde gewählt, weil man sich voll und ganz dessen bewusst war, dass man sich hier eine Jagdhunderasse ins Haus holt. Die Rasse wurde gewählt, weil man genau wusste, dass man es mit einem ausgesprochen spätreifen Hund zu tun hat. Mit ein Entscheidungsgrund war natürlich auch der, dass man sich im vollen Bewusstsein für einen Hund entschied, der selbständig denkt - und beizeiten blitzschnell entscheidet. Natürlich war es auch reizvoll, sich der Aufgabe zu stellen, einen Welpen/Junghund anzuleiten, dessen körperliche Fähigkeiten der geistigen Reife weit voraus sind und der oft gar nicht mehr weiß, wo er mit seiner Energie hin soll. Ohne Zweifel war man sich auch bewusst, was Territorialität bedeutet.
Kurz: Man hat sich für den RR entschieden, weil er anspruchsvoll ist und der bewusste Mensch den Anspruch sucht und meistert. Sollte man zumindest meinen, wenn man hier so liest.
Ich war nicht "man". Ich war vornehmlich erst einmal begeistert von der Optik und fand (und finde), dass es keine schöneren Hunde als RR gibt. Auch nach 7 Jahren sehe ich mich nicht satt an den Köpfen, den Körpern und den Bewegungen. Für mich gibt es nichts Schöneres, als meinen Hunden nach einem anstrengenden Tag beim Toben zuzuschauen. Da fällt alles ab, das Herz wird so warm und ich lasse mich von ihrer Leichtigkeit anstecken.
Mein Bild als angehender RR-Besitzer war das erhabene, stolze, energiegeladene und wunderschöne Tier, das durch ein unsichtbares Band unendlich mit mir verbunden ist. Mein Bild war die Perfektion.
Die Wirklichkeit war Bukoko. Bukoko hatte alles. Er hatte vor allem Selbständigkeit, blitzschnelles Entscheiden, Territorialität, Jagdtrieb... Er war Meister des Stinkefingers, sein zweiter Name war Che Guevara und das Wort "Reife" durfte ich dann im Alter von dreieinhalb Jahren mal so langsam andenken. Aber nur gaaaaanz langsam... So ganz nebenbei fand ich ihn wunderschön, das rückte aber sehr schnell in den Hintergrund des Alltags, der mir mehr abforderte, als ich erahnt hatte.
Buki war ungefähr 6 Monate alt, als er mir deutlich zeigte, dass er mich zwar durchaus mag, aber ich definitiv nicht die Schwungscheibe seines Junghundeuniversums bin. Als Buki mit etwa 15 Monaten konstatierte, dass er andere Buben auch durchaus blöd finden kann und da nix mehr mit "komm, wir machen mal einen auf lieb" am Hut hatte, geriet mein Weltbild ins Wanken. Als der Jagdtrieb mit 18 Monaten durchkam, fiel ich aus allen Wolken. Als der erste unangemeldete Besucher gestellt an der Wand klebte, wurde mir auch bewusst, was Territorial- und Wachverhalten bei einer solchen Rasse bedeutet.
Mein Weg vom Bild zur Wirklichkeit war manchmal steinig. Ich hab mit diesem Hund ungezählte Tränen vergossen. Und er hat mich unbeschreiblich geerdet. Letztendlich ist die Wirklichkeit nicht da, wo das anfängliche Bild war. In manchen Punkten liegen wir weit daneben. Aber in manchen Punkten übertrifft die Wirklichkeit das Bild. Und eines weiß ich, wenn mir das Herz so leicht wird, wenn ich meinen Hunden beim Toben zuschaue: Die Leichtigkeit fiel nicht vom Himmel, die haben wir uns erarbeitet. Und wenn ich mit Buki durch die Welt streife, dann erlebe ich es: dieses unsichtbare Band der unendlichen Verbundenheit. Auch das fiel nicht vom Himmel, sondern entstand vor allem dadurch, dass ich bereit war, mich auch auf die unbequemen Sachen einzulassen.
Ich kann die Bilder der Neuinteressenten oft nachvollziehen. Ich ertappe mich dabei, wie ich Neulingen schreibe: "Wie konntest du das und das nur ausblenden?" Manchmal kann ich mich dann selbst bei der Nase packen und über meine eigenen Ausblendmechanismen nachdenken... Ich denke, es ist gut, wenn man die nicht völlig vergißt.
In diesem Sinne
Susanne mit Buki und Rose
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