Hallo,

das ist eine Auswirkung, die mehr oder weniger ausgeprägt immer dann erscheint, wenn ein Hund in eine Rolle gedrängt wird, der er nicht gewachsen ist. Das erlebt man bei Einzelhunden, die durch mangelnde Sicherheit des Halters anfangen, vermeintliche "Gefahren" auf ihre Weise zu regeln, das erlebt man bei zusammenlebenden Hunden, in denen einem die Rudelführung entgegen seiner Befähigung aufgedrängt worden ist.
Ganz extrem (weil quasi über Nacht)ist es eben in oben geschilderter Situation, in der ein Hund unmerklich durch das Leittier geführt worden ist und diese Leitung dann wegfällt. Da er vorher eine Aufgabe im Rudel erfüllt hat, die ihn nicht überfordert hat, ist er äußerlich völlig souverän und unbeschwert durchs Hundeleben gegangen. In den für ihn "zu großen Schuhen" seines Vorgängers, überfällt ihn meist ein Zwang alles zu regeln, leider auch Dinge, die gar keiner Regelung bedürfen.
Wenn man ein Hunderudel beobachtet, das von einem souveränen Leittier geführt wird, dann wird dort unbeschwert herumgetobt, vom Leittier merkt man meistens gar nichts. Ganz anders sieht das aus, wenn ein Hund die Rudelführung übernimmt, der damit überfordert ist. Hier wird jegliches ausgelassene Toben, bei dem es etwas lauter wird, konsequent unterbunden. Der Pseudorudelführer mischt sich in jede Kontaktaufnahme eines Rudelmitglieds mit einem nicht zum Rudel gehörenden Tier ein, kurzum: er ist eine richtige Spaßbremse (hat selbst allerdings auch ausschließlich Stress bei der Sache).
Ich fürchte, am Verhalten des RR-Rüden wird sich ohne Hilfe von außen (Halter übernimmt konsequent die Rudelführung oder ein neuer Leithund kommt dazu-letzteres nicht ohne Risiko) nicht viel ändern.
Knurrt er eure Hündin auch an, wenn der Westi und der Halter nicht in der Nähe sind? Oder knurrt er nur, wenn eure Hündin Kontakt zum Westi aufnimmt? Vielleicht verteidigt er die Grundstücksgrenze, um eine Gefahr, die nur in seinem überforderten Kopf existiert, abzuwenden?
Wir haben das gleiche erlebt nach dem Tod unserer Ainka, einer im positiven Sinne extrem dominanten (also gelassenen und souveränen) RR-Hündin. Kijani ist im Alter von 8 Monaten zu uns gekommen. Er kannte keinerlei Befehle und so gut wie keine Umwelteinflüsse (unterschiedliche Bodenbeläge, Treppen, laute Geräusche, tote Gegenstände, die sich doch durch Wind oder was auch immer bewegten usw. usw. lösten ein Meideverhalten aus).
Dank sicherer Leitung durch uns und ganz wichtig auch durch Ainka ist aus ihm im Verlauf eines Jahres ein äußerlich souveräner Hund geworden. Ständig hörte man: den haben sie aber toll hingekriegt, der ruht ja in sich! Stimmte aber leider nicht: er ruhte dank Ainka. Mit ihrem Tod kamen spontan einige seiner Meideverhalten zurück: glatte Bodenbeläge, der nächste Rollator wurde angebellt etc.. Da wir selbst die notwendige Sicherheit ausstrahlen und ihn nicht in eine Rolle gedrängt haben, die ihn überfordert hätte, ist aus ihm innerhalb einiger Monate wieder ein für den Betrachter supersouveräner Hund geworden.
Momentan kippelt die Sache aber ein wenig: wir haben vor knapp 6 Wochen eine 4 monatige Hündin dazugenommen.
Für diese hat er jetzt draußen die Verantwortung übernommen und ist damit zumindest grenzwertig belastet, teils auch überfordert. Er lässt sie mit manchen Hunden spielen, mit anderen, die ihm nicht gefallen, ohne ersichtlichen Grund nicht. In solchen Augenblicken sind wir dann ganz konkret gefragt, um ein Eskalieren der Situation zu vermeiden. Das komplett entspannte Spazierengehen hat sich somit erst mal erledigt, aber das kriegen wir wieder hin.
Um es kurz zu machen: am Verhalten eures Nachbarhundes wird sich nichts verändern, so lange ihm die für ihn selbst auferlegte zu schwere Last nicht wieder abgenommen wird.

LG Thomas ( der schon wieder ins Schwafeln geraten ist)