Caniden-Ein-Topf?!
In vielen Postings zu verschiedenen Themen ziehen Diskussionsteilnehmer immer wieder Vergleiche mit den wildlebenden Verwandten des Hundes als Argumentationshilfen heran. Am liebsten würde ich dann sofort wieder in die Tasten hauen, halte mich aber dann doch zurück....
Ich habe mir gedacht, einfach mal allgemein etwas zu diesem Thema zu schreiben; so kommt die Information an die Leute, es braucht sich aber niemand wegen meiner Kritteleien persönlich auf den Schlips getreten zu fühlen (meine Güte, dieses Forum macht aber auch übersensibel!! )
DIE Caniden, das sind 14 Arten. Vierzehn! Zu ihnen gehören unter anderem auch Fuchs, Fennek und Marderhund. Aussagen wie „die Caniden bilden Sozialstrukturen“ oder „die Caniden jagen im Rudelverband“ sind nicht nur wohlklingende, leider aber aussagearme Satzhülsen, sie sind auch häufig falsch. „Die Caniden bilden Sozialstrukturen“ bedeutet alles von *beim Fuchs treffen sich die Geschlechter zur Paarungszeit* bis hin zu * Wölfe leben meist in Familienverbänden*.
Bei Diskussionen über das Jagdverhalten von Hunden wird der Vergleich mit „dem“ Wolf gezogen und das, was man über wölfisches Verhalten gelernt hat, auf den Haushund übertragen. Wölfe jagen gerne im Rudelverband. Hunde auch. Aber damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Das Jagdverhalten von Wölfen ist so grundsätzlich anders als das von Hunden, daß man darin ein bedeutendes ethologisches Unterscheidungskriterium zwischen beiden vorliegen hat.
Wölfe sind Lauerjäger, sie hetzen nur kurz. Sie entwickeln komplizierte Jagdstragegien und sind wirklich streng arbeitsteilig.
Hunde sind anders. Sie hetzen über lange Strecken (vorausgesetzt, der vom Menschen züchterisch verhunzte Körperbau läßt dieses noch zu), die Arbeitsteilung ergibt sich eher zufällig. Von den ausgebufften Strategien der Wölfe sind sie so weit entfernt wie die Kleckserei meines Sohnes von einem Renoir! Das Signal zur gemeinsamen Jagd gibt nicht zwingend der Rudelführer, sondern der Hund, der die Beute zuerst wahrgenommen hat.
Ähnlich ist es mit der „Ernährung“. Die einen sagen, der Wolf frißt seine Beutetiere mit Haut und Haar, die anderen sagen, daß er selektiv frißt und vieles übrig läßt. Jeder hat recht, aber für die Diskussion ist dies unbedeutend, weil der Vergleich mit dem Wolf nichts bringt. Das Beutespektrum von Wölfen reicht von Kleinsäugern (Mäuse, ...) bis hin zu großen Huftieren. Klar, die Maus wird mit Haut und Haar gefressen, von den großen Beutetieren bleiben meistens übrig: Kopf, Wirbelsäule, Extremitätenknochen, etwas Haut. Mehr von den getöteten Großtieren bleibt übrig, wenn die Wölfe sehr viel Beute machen konnten oder wenn sie durch äußere Einflüsse (Menschen!!) gestört werden.
Die ersten Schritte in der Domestikation des Wolfes zum Hund sind - notwendigerweise - Veränderungen im Verhalten gewesen. Deswegen macht es wenig Sinn, unsere Rassehunde mit Wölfen zu vergleichen. Für eine Vergleichsbasis eignen sich andere Hunde sehr viel besser, weil sie eben bereits Hunde sind, aber auf einem anderen Domestikationsniveau stehen. Ja, alle Haushunde sind Hunde, aber längst nicht alle Hunde sind Haushunde. Wollen wir das Verhalten unserer Haushunde besser verstehen, sollten wir uns das Verhalten der Hunde anschauen, die in den verschiedensten Abstufungen unabhängig vom Menschen leben. Aber die meisten dieser Hunde leben in den verschiedenen Ökozonen menschlicher Ansiedlungen und sind in erster Linie Kleintier- und Abfallfresser. Vielleicht ziehen wir deswegen lieber den Vergleich mit dem grandiosen Jäger Wolf??
Eine gute Zusammenfassung über Wölfe findet sich in der Monografie:
Der Wolf von Henryk Okarma, 1997
ISBN 3-8263-8431-8
Das Schrifttum über die ursprünglicheren Hunde ist leider in den verschiedensten Fachzeitschriften sehr weit verstreut.
Der Forschungsschwerpunkt liegt zur Zeit eindeutig beim Wolf. Das ist auch gut so, schließlich soll er das von Menschen angerichtete Desaster noch ein Weilchen überleben. Wir dürfen diese Gewichtung aber nicht mit Bedeutung für uns Hundehalter verwechseln.
Wer dieses posting als Teilen von Information versteht, versteht richtig. Wer es als "Besserwisserei" verstehen möchte, kann sich gerne daran hochziehen...
Ute BB
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