Der erste RR ist oft derjenige zum Erfahrungen sammeln und ab und an auch derjenige zum aus allen Wolken fallen. Der erste RR lässt einen an ihm und über sich selber lernen. Der erste RR muss meist noch einiges an Menschenfehlern wegstecken. Aber beim zweiten wird natürlich alles anders und vor allem besser - schließlich hat man ja dazugelernt, und die Fehler, die man schon mal gemacht hat, macht man nicht nochmal...

Die gleichen Fehler macht man meist tatsächlich nicht nochmal - dafür aber ganz neue. Beim zweiten Hund wird tatsächlich alles anders. Das mit dem "besser" ist natürlich so eine Sache... Und das der erste auch gleich noch anders wird und das "anders" dem Ganzen nicht unbedingt zum Vorteil gereicht, war in der Rechnung natürlich nicht mit enthalten.

Ich hatte kürzlich ein interessantes und teilweise recht selbsterhellendes Mehrhundehaltergespräch mit meinem Töchterchen. Trotz unterschiedlicher Rassen (Tochti hält einen Schäfer- und einen Mali-Mix) entdeckten wir doch einige Parallelen. Und mir fiel dann auf, dass ich unsere parallelen Gesprächserkenntnisse so ähnlich auch schon von anderen Mehrhundehaltern gehört habe - anno dazumal, als ich noch gar kein Mehrhundehalter war. Die Denkmurmel wurde noch weiter angeregt, weil Rose sich den Pfotenballen verletzt hat und derzeit nur humpelnd kurz Piseln geht, was wiederum zur Folge hatte, dass Buki gestern mal ohne Rose auf die große Runde ging. Ein traumhaft entspannter Spaziergang mit einem nahezu perfekten Hund! Mir wurde da mal wieder so richtig bewusst, was in dem Buki eigentlich alles an wirklich guten Erziehungsgrundlagen drinsteckt...

Den Ersthund unterscheidet ein ganz wichtiges Merkmal vom Zweithund: Der Ersthund ist Erster - und vor allem erstmal Einziger. Der Ersthund bekommt 100%. Der Ersthund kriegt zwar auch die menschlichen Irrungen und Wirrungen der Hundeerziehung ab, aber egal, ob Unterordnung oder Schleppleinentraining, man ist voll konzentriert auf den Einen.

Ach, was war der Buki nahezu perfekt... Das hat zwar echt gedauert, aber der Kerl wäre im gereiften Zustand gar nicht auf die Idee gekommen, beim Öffnen der Autoheckklappe einfach loszuhopsen. Nein, ganz im Gegenteil: Sobald man hinten ans Auto ging, legte er sich schon vollautomatisch ins Platz. Nein, ein Buki geht unangeleint ohne expliziter Aufforderung auch nicht von Waldwegen runter - nach intensiver Trainingszeit weiß er, wo er hingehört. Wild war kein Thema mehr - auf Pfiff stand ein Bukinator, egal, was da vor ihm abging. Da könnte ich jetzt soviele Kleinigkeiten aufzählen... Aber wieviel 100%ige Zeit und Konzentration steckte da drin! Und was war der Buki für ein selbständig denkender und dauerhinterfragender Revoluzzer! Ein bequemer asphaltierter Wanderweg war unser gemeinsamer Lehrpfad nicht gerade.

Weil Buki aber nur nahezu perfekt war, sollte das beim zweiten Hund noch besser werden. Der zweite Hund sollte dann auch noch Nichtleinenpöbeln und Nichtkücheplündern und Nichtganzsovieldenken und Immerinjederlebenslageabrufbarsein. Und meine ganzen hochphilosophischen Erziehungserfahrungen mit Buki sollten da auch mit einfließen. Ich sah den perfekten Zweithund schon vor mir...

Und dann kam der Zweithund. Es kam Rose. Die tückische, kleine Rose... Nein, Rose leinenpöbelt nicht. Rose plündert auch keine Küche, Rose denkt nicht ganz so viel wie Buki und Rose ist meist traumhaft abrufbar (es darf halt kein Wild da sein). Rose war in so vielen Alltagsdingen mehr gottgegebenes Engerl als Produkt meiner tollen Erziehung, was dazu führte, dass so mancher Grundsatzzügel schleifte. Und schleifende Zügel kommen bei Buki so richtig gut. Er hat einen sehr ausgeprägten Sinn für schleifende Zügel... Roses Baustellen waren auch so ganz andere als Bukis und man musste so vieles (auch Fehler) so anders machen. Irgendwie war das ein wenig, als ob man ganz tolle Wildschweinbratenrezepte erprobt hatte und nun plötzlich eine Forelle neben den Töpfen und Pfannen liegen hat.

Nach 3 Jahren Zweithund ziehe ich eine ähnliche Bilanz wie Tochti: Im Doppelpaket sind wir weiter denn je von irgendwelcher Perfektion entfernt. Der zweite Hund ist ganz anders als der erste Hund. Und was beim ersten Hund noch mit der 100%igen Konzentration durchgeführt wurde, ging beim Zweithund gar nicht mehr in der Form - man muss ja auch noch auf den Ersthund gucken, der seinerseits wiederum genauestens guckt, was Zweithund da für Lücken im Erziehungssystem erschließen könnte.

Ach, ich liebe meine zwei sehr. Und im Keller müssen wir uns auch nicht verstecken. Aber irgendwie sind wir in der Zweihundehaltung manchmal weder Fisch noch Fleisch und ab und an sind wir auch eher notgedrungener Kompromiss denn angestrebte Perfektion.

Ja, es wurde alles anders. Nicht schlechter. Aber auch nicht besser. Anders halt.

LG

Susanne

P.S.: Für mich waren das Gespräch und die Eindrücke Anlass, mal wieder wirklich genau auf die Interaktionen zu gucken, meine Schwachstellen ein wenig auszuloten und auch mal wieder bewusster bereits bei den kleinen Schlampigkeiten anzusetzen.